Du siehst mich, aber siehst mich nicht

Hey M.,

lass mich Dir heute etwas von Social Media erzählen…

Gesehen werden, ohne dass Du mich wirklich gesehen hast, das ist der Fluch, wenn man Dein 50k Follower auf Social Media, in der heutigen Zeit, ist.

Es fühlt sich nicht schön an, Eine unter vielen zu sein, Eine zu sein, wo man nur mal eben schnell drüber schaut und dann schnell weiter springt. Das ist mir bei Dir zu wenig!

Klar könnte ich aus der Menge hervorgehen, indem ich Deine Bilder nehme (Eigentum lässt grüßen), sie umgestalte und was schmachtendes dazu schreibe, oder auch etwas anderes machen, wie die Teens es tun… Oder ich könnte Dir sehr persönliche Fragen stellen, die mich aktuell aber nichts angehen, oder sonstwie um Deine Aufmerksamkeit buhlen… Aber bin ich ein Teeny-Fan, der unter jedes Deine Bilder nur 💖🔥🥰🤗 hot, damn, sexy schreibt? Nein, aus dem Alter bin ich raus…

Ich sehe, dass Du meine Nachricht gesehen hast. Manchmal signalisierst Du, dass sie Dir gefällt ❤, oder schreibst auch kurz zurück. Aber dann sind da wieder Tage, wo Du mich siehst, ohne mich zu sehen, wo Du die Nachricht gesehen hast, aber nicht darauf reagierst…

Ich verstehe, dass Du ein Privatleben hast, zuviele Nachrichten bekommst, eigene Freunde hast, ein Leben jenseits von Social Media hast, etc. Natürlich ist das alles berechtigt und das Internet ist auch nicht das Hauptleben, welches man führen sollte!

Trotzdem hätte ich gerne engeren Kontakt mit Dir. Weil Du mich als Mensch bewegst und ich Dich interessant finde. Gerne würde ich Dir zu manchen Deiner Posts oder Storys fragenstellen, die tiefer gehen, oder Dir von meinem Eindruck erzählen, so daß wir uns austauschen könnten. Es wäre auch schön, Dich fragen zu können, was Dich gerade bewegt, was Du heute erlebt hast, wie Du über manches denkst… Gerne würde ich mit Dir stundenlange Gespräche führen, weil Du mich als Mensch interessierst, als Subjekt und nicht als Objekt! Aber das ist leider nur mein Wunschdenken. Ich bin nur eine unter sehr sehr vielen Menschen. Weil ich dein Schweigen respektiere, Deine Privatsphäre achte, und auch nicht zu den Fangirls gehöre, die sich zusammen tun, tratschen, spekulieren und Dir überall nachstellen.

Ich weiß, es ist der Fluch der Menschen, die sehr empathisch sind, aber: Ich sehe eine Story, oder ein Bild von Dir, oder auch eine ganze Bildserie, und ich sehe wie es in Dir aussieht. Lachst Du gerade wirklich? Nein, heute ist es nur der Mund der lacht. Deine Augen schauen traurig, oder sind schwarze Abgründe… Dein Mund erzählt nichts davon, wie es Dir geht, aber Dein Ausdruck, der Unterton in Deiner Stimme, und besonders Deine Augen, sprechen Bände!

Gerne würde ich Dich fragen, wie es Dir wirklich geht, was Du erlebt hast, was Dir durch den Kopf geht, was Dir Kummer bereitet. Ich würde Dir ein offenes Ohr schenken, ein Zuhörer sein, der Dich versteht, der Dich wirklich sieht und hört, der auch die Zwischentöne hört. Gerne wäre ich Dir ein Freund.

Aber leider bin ich nur ein Follower unter sehr vielen, der Deine Privatsphäre respektiert und Dir den Raum lässt. Werde gesehen, ohne gesehen zu werden…


So könnte es in vielen Menschen auf Social Media aussehen. Sie glauben, ein Recht auf diesen Kontakt, oder eine Information zu haben... Ist das noch gut, oder ist es an der Zeit zu hinterfragen, welchen Stellenwert wir fremden digitalen Kontakten zuschreiben?

Interner Vermerk: SW240c Du siehst mich aber siehst mich nicht

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